Ich verliere langsam das Gefühl dafür, was für Europäer ungewöhnlich und deshalb besonders erwähnenswert ist, aber ein paar Anekdoten gibt es doch:
Um zehn Uhr treffen wir uns mit Karim im Djembéhotel zum Unterricht. Herman hat mit ihm besprochen, dass er abklären soll, ob der Hof zum Trommeln frei ist, doch das hat er nicht, denn momentan hat Aimy, eine junge Japanerin, Tanzunterricht und, wie wir erfahren, danach noch einen Djembékurs, d.h. unser Unterricht bei Karim fällt heute aus. Herman nimmt es gelassen und ist nicht weiter überrascht, sondern war eher verwundert, dass bisher alles so reibungslos lief.
Es ist zwanzig Uhr und wir kommen mit dem Taxi am Centre International de Conférence de Bamako an. Wir erwarten ein Trommelfest, wie wir es gewohnt waren, aber uns wird schon beim Anblick von Lamin, der uns am Eingang abholt, klar, dass wir underdressed sind. Wenn er sich schon in eine Robe aus feinstem Stoff wirft, dann bin ich mal auf die anderen Gäste gespannt. Wir biegen in Jeans und T-Shirt um die Ecke und stehen Frauen und Männern in prächtigen traditionellen Kleidern aus edlen Stoffen gegenüber – trommeln werden wir heute eher nicht. Wir machen es uns in dem mehrreihig bestuhlten Halbkreis gemütlich und lauschen leidenschaftlichen Reden in Bamana, bei denen der „Zustimmer“, der neben dem Redner steht und immer „Ja, so ist es.“ und „Weiter so!“ ruft, nicht fehlen darf. Witziger weise gibt es auch eine Clownfrau, die mit einer riesigen roten Brille und einer Krawatte auftritt und am Anfang mit den Gästen Quatsch macht, ab und zu trillerpfeifend durchs Bild rollt und irgendwann Wasser an die Leute verteilt. Eine uralte Griotfrau tritt langsam und feierlich, umringt von Kameramännern, vor die Zuschauer und singt eine Geschichte nach der anderen – hier möchte ich bemerken, dass es bei dieser Veranstaltung ausnahmsweise keine Rückkopplungen gab nur kaputte Kabel, die immer wieder zu einem ohrenbetäubenden Brummen und Knacken führen, aber das schein hier niemanden zu stören. Auf der Bühnenfläche ist ein reges Treiben, Fotografen mit selbstbauten Lampen sind Anlass zu hitzigen Diskussionen und Zwischenrufen, da sie stets die Hauptpersonen umringen und verdecken. Letztendlich werden sie äußerst unsanft zur Seite gezerrt und mit allerlei harscher Worte bedacht. Fünfzehn Minuten später haben sich die Vertriebenen ihren Platz in der ersten Reihe wieder erkämpft, aber diesmal tief geduckt. Wir bekommen ein aufregendes Programm geboten, mit allerlei Sängerinnen, Tänzerinnen und wichtigen Frauen, die aus ihren dicken Geldbeuteln Bündelweise Scheine hervorziehen, um sie unter den Künstlern und Zuschauern zu verteilen. Nach zwei Stunden endet das Fest abrupt und übrig bleibt ein riesiges Kabelknäuel in der Mitte der Auftrittsfläche, das kontinuierlich aus den Mikrofonkabeln der umherlaufenden Sängerinnen und den Stromkabeln der sie umkreisenden Fotolampenträgern geflochten wurde.
Mit Mühe und Not ergattern wir ein Taxi, das bereits einen Fahrgast transportiert. Der Taxifahrer wittert das große Geschäft und lädt noch einen kräftigen Mann ein, der sich mit uns das bisschen Rückbank teilt. Nach zwei Minuten geraten wir in meine erste nächtliche, malische Polizeikontrolle und sind froh, als wir nach einer ausführlichen, kritischen Passkontrolle weiterfahren dürfen, aber wir haben uns zu früh gefreut, denn nach einer weiteren Minute stehen wir in der nächsten Kontrolle. Nach der Prüfung unserer Pässe verschwinden die zwei anderen Fahrgäste und der Fahrer mit den Polizisten im Dunkeln und wir sitzen alleine im Taxi. Nichts passiert, fünf Minuten, zehn Minuten, wir beschließen auszusteigen und uns ein neues Transportmittel zu besorgen, doch einer der Polizisten klärt uns auf, dass wir unseren Taxifahrer gleich wiederbekommen also warten wir und nach fünf Minute ist er tatsächlich da. Wir fahren mit leichten Verlusten, denn die beiden anderen tauchten nicht mehr auf, weiter zu unserem Hotel. Der Fahrer steht leicht unter Schock, erklärt uns mit vielen Worten, von denen wir nur wenige verstehen, seine Unschuld, setzt uns zu Hause ab und vergisst vor lauter Verwirrung sogar zu kassieren – wir rufen ihm nach und begleichen unsere Schuld. Was mich letztendlich wundert ist, dass die erste Polizeikontrolle nichts zu beanstanden hatte, aber die Zweite zwei Leute in Gewahrsam nimmt. Seltsam!